Vertreter des Bundeswirtschafts- ministeriums besuchen das Smarte Quartier Jena-Lobeda
07.06.2024, 12:22:56 | Stadtwerke Jena Gruppe | Aktuelles, Pressemitteilungen | jenergie
Über die Fortschritte im Reallabor der Energiewende JenErgieReal informierte sich heute (7. Juni 2024) eine Delegation des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK). Angeführt von Christian Maaß, Abteilungsleiter Wärme, Wasserstoff und Effizienz im BMWK, besuchte die kleine Fachgruppe das Smarte Quartier Jena-Lobeda in der Ziegesarstraße und das künftige Modellquartier im Projekt JenErgieReal am Salvador-Allende-Platz. Erste Ergebnisse und die nächsten Schritte in der Projektarbeit schilderten ihnen u.a. Stadtentwicklungsdezernent Christian Gerlitz und Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Wolfrum.
An dem thematisch breit aufgestellten Verbundprojekt interessierte die Ministeriumsvertreter heute v.a. der Aspekt möglicher Energieeinsparungen im Wohnungssektor mittels Digitalisierung. Hier haben die Stadtwerke Jena bereits im Modellprojekt „Smartes Quartier Jena-Lobeda“ beeindruckende Ergebnisse erzielen können. So wurde in dem WBS70-Plattenbau in der Ziegesarstraße in Lobeda-Ost „nur“ eine Fugensanierung vorgenommen sowie eine intelligente digitale Heizungssteuerung auf Wohnungsebene installiert. In der Folge konnte der Wärmebedarf pro Quadratmeter Wohnfläche um circa 30 Prozent gesenkt werden.
Ausgehend von diesen guten Erfahrungen geht JenErgieReal am Salvador-Allende-Platz noch einen Schritt weiter. Auch hier bringt jenawohnen einen gerade in Sanierung befindlichen Plattenbaukomplex zur Erprobung der neuen Technologien ins Projekt ein. Die vier elfgeschossigen WBS70-Typenbauten werden bis 2027 schrittweise saniert, aus aktuell 300 Ein-bis Drei-Raum-Wohnungen entstehen 292 familientaugliche Ein- bis Sechs-Raum-Wohnungen im mietpreisgebundenen Segment. Für JenErgieReal soll in diesem Quartier nun über den Wärmeverbrauch hinaus auch der Strombedarf betrachtet werden. Und es soll über die einzelne Wohnung hinaus auch die zentrale Bereitstellung von Heizung, Warmwasser und Kaltwasser für das gesamte Gebäude digital gesteuert und somit energetisch optimiert werden. Grundlage dafür sollen jeweils die tatsächlichen Bedarfe in den Wohnungen sein, die über eine Smart Home-Ausstattung in Echtzeit erfasst und in die Anlagensteuerung einbezogen werden. Ziel ist es, Primärenergie und damit klimaschädliches CO2 einzusparen, aber auch die Betriebskosten für die Mieterinnen und Mieter zu senken.
Dafür werden in den Plattenbau am Salvador-Allende-Platz gleich mehrere moderne Versorgungsanlagen installiert, digital verknüpft und intelligent steuerbar gemacht:
- Eine sogenannte intelligente Hausanschlussstation (iHAST) soll den Fernwärmebezug aus dem öffentlichen Netz dynamisch an den tatsächlich gemessenen Bedarf anpassen.
- Sensorgesteuerte Ventile sorgen dafür, dass das Heizwasser so lange im Heizkreislauf zirkuliert, bis die darin enthaltene Energie nicht mehr ausreicht, um den Wärmebedarf zu decken. Erst dann wird wieder auf das Fernwärmenetz zurückgegriffen.
- Künftig wird für die Warmwasseraufbereitung Fernwärme genutzt, aber auf einen Warmwasserspeicher verzichtet. Stattdessen stellt eine sogenannte Thermobox (nach dem Prinzip eines Durchlauferhitzers) nur so viel Heißwasser bereit, wie aktuell zum Duschen oder Baden gebraucht wird.
- Eine strombetriebene Wärmepumpe dient dazu, das Trink-Kaltwasser für die Mieter zu kühlen. Insbesondere in heißen Sommern und bei geringer Entnahme aus dem Netz fällt es zunehmend schwer, dieses auf die vorgeschriebene Temperatur von unter 20 Grad Celsius zu bringen. Die dabei entzogene Wärme wird zur Warmwasserbereitung genutzt.
- Perspektivisch könnte die Anlagensteuerung neben den aktuellen Bedarfen der Mieter auch die Auslastung im Stromnetz oder die aktuellen Strompreise mit berücksichtigen - und die Wärmepumpe entsprechend gezielt zu- oder abschalten.
„Wir haben hier in JenErgieReal die Projekterkenntnisse aus dem Smarten Quartier weiterentwickelt und noch mehr Aspekte des Energieverbrauchs im Wohnsektor einbezogen“, fasst Stadtwerke-Geschäftsführer Tobias Wolfrum die Pläne zusammen. „Deshalb sind wir überzeugt: Durch diese intelligente Steuerung können noch weit mehr als die 30 Prozent aus dem Vorprojekt an Energie eingespart werden.“ In den nächsten Wochen beginnen am Salvador-Allende-Platz die Installationsarbeiten, im Herbst 2025 soll der erste Bauabschnitt bezugsfertig sein. „Nach einem Jahr können wir auf die Ergebnisse schauen. Und wir sind schon echt gespannt, was wir dann gemeinsam erreicht haben werden.“
JenErgieReal war 2019 eines von 20 Gewinnerprojekten im Ideenwettbewerb Reallabore der Energiewende des damaligen Bundeswirtschaftsministeriums. Im November 2022 konnte die Projektarbeit offiziell starten. Für das auf fünf Jahre angelegte Projekt laufen aktuell die Konzeptionsphase und die Entwicklung von Prototypen. 2025 könnte die konkrete Umsetzung vor Ort in Jena beginnen. Bis 2027 beläuft sich das Projektvolumen für Forschung und Investitionen auf mehr als 41 Mio. Euro. 20,4 Mio. Euro davon stammen aus Fördermitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz. Vor Ort in Jena sind Investitionen von über 17 Mio. Euro geplant, u.a. für den Bau von Großspeichern für Strom und Wärme sowie Erzeugungsanlagen für grüne Energie.
Als Reallabor der Energiewende sucht JenErgieReal nach konkreten Lösungen für eine erfolgreiche Energiewende in Städten. Ziel ist es, den durch die gleichzeitige Energie-, Wärme- und Verkehrswende steigenden Strombedarf intelligent zu decken. Kern des Projektes ist der Aufbau eines virtuellen Kraftwerks. Dieses soll vor Ort in Jena Erzeuger, Verbraucher und Speicher von Strom und Wärme aus den Sektoren Wohnen, Gewerbe und Verkehr verknüpfen und in Echtzeit steuerbar machen – abhängig von der jeweiligen Stromverfügbarkeit im Netz.
JenErgieReal ist ein breit angelegtes Verbundprojekt. Es vereint Energieversorger und Netzbetreiber, Kommune, Industrie, Wohnungswirtschaft, Wissenschaft und einen Sozialverband. Konkret sind die Stadtwerke Energie Jena-Pößneck, die Stadtwerke Jena Netze und Thüringens größter Vermieter jenawohnen dabei, außerdem die Stadt Jena, die Westsächsische Hochschule Zwickau, die Ernst-Abbe-Hochschule Jena, der AWO Regionalverband Mitte-West-Thüringen und der Messgerätehersteller Brunata-Metrona.
Neben der Umsetzung des virtuellen Kraftwerks sowie der Errichtung von thermischen und elektrischen Großspeichern gibt es weitere Projektschwerpunkte. Dies sind v.a. die sozialwissenschaftliche Forschung zur Akzeptanz von Energiewende und Digitalisierung, die Ableitung von städteplanerischen Erkenntnissen und das regulatorische Lernen, um Verbesserungspotenziale im aktuellen Energierecht zu identifizieren. Weitere Infos zum Reallabor der Energiewende JenErgieReal.
Foto: Wie eine intelligente Hausanschlussstation für die Fernwärme im Smarten Quartier Jena-Lobeda dafür sorgt, dass rund 30 Prozent Wärmeenergie eingespart werden konnte, erläutert Tobias Wolfrum (r.) Christian Maaß vom Bundeswirtschaftsministerium. Foto: Stadtwerke Jena